Schnittstelle zwischen Körper und Geist

Verstehen allein reicht nicht aus.
Die Schnittstelle zwischen Körper und Geist ist Energie. Wir können uns den Körper als Hardware vorstellen, wie bei einem Computer, und den Geist/Verstand als Software, die auf dem Computer installiert ist. Aber Hard- und Software können nicht zusammenarbeiten, wenn keine Elektrizität im System ist – der Computer nicht angeschlossen ist. Ohne Energie geht nichts...
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Verstehen allein reicht nicht aus.

Viele Klienten sind zu mir gekommen nach Jahren traditioneller Therapie. „Ich habe so viel an mir gearbeitet und alles darüber gelernt wie meine Probleme damit zusammenhängen und auch über meine Kindheit – aber es hat sich immer noch nichts geändert.“ Das kommt oft daher, dass traumatische Erlebnisse im Bindegewebe und in den Muskeln sitzen und chronische Verhaltensmuster geworden sind, als Körperpanzer bekannt, und uns davon abhalten, uns energiegeladen, gesund und friedvoll zu fühlen. Bevor wir diese Gewebeinformationen nicht angehen, wiederholen die in unserem Körper verankerten unterbewussten Reaktionen ihre Muster und wir kommen nicht darüber hinweg.

Gesprächstherapie kann sehr hilfreich sein, um die Ursache dieser Störungen zu verstehen, kann aber nur wenig tun, gesundheitliche Probleme zu lösen oder chronische Spannungen in den Muskeln. Andererseits kann Körpertherapie viel dazu beitragen, die Spannungen zu lösen, sich wieder aufzurichten und in Kontakt mit tiefer liegenden Problemen zu kommen – aber wenn die Dinge nicht ins Bewusstsein dringen, kann der Verstand die notwenige Änderung im Leben nicht umsetzen, für eine dauerhafte Heilung. Und so kommen wir jede Woche wieder zu unserem Masseur oder Körpertherapeuten mit den gleichen schmerzenden Schultern oder Rücken.

Körper-Geist-Therapien arbeiten an beiden Enden gleichzeitig und verbinden in ihrer Arbeit den physischen und spirituellen Aspekt. Sie vernetzen das psychologische Problem mit der Körpererfahrung und körperliche Probleme mit der psychischen Erfahrung. So fühlen wir uns „ganz“ – völlig präsent, aktiv und wach.

Die Schnittstelle zwischen Körper und Geist ist Energie. Wir können uns den Körper als Hardware vorstellen, wie bei einem Computer, und den Geist/Verstand als Software, die auf dem Computer installiert ist. Aber Hard- und Software können nicht zusammenarbeiten, wenn keine Elektrizität im System ist – der Computer nicht angeschlossen ist. Ohne Energie geht nichts. Wenn der Strom nicht gleichmäßig fließt – wenn die Spannung zu hoch oder zu niedrig ist – laufen die Programme nicht fehlerfrei und die Hardware kann sogar Schaden nehmen.

So ähnlich geht es uns Menschen. Energie belebt Körper und Verstand und erlaubt die Interaktion. Der Körper lässt diese Energie durch seine Zellen und Muskeln fließen und übersetzt sie in Aktion. Der Verstand, bewusst und unbewusst, spult das Programm ab, wie die Energie gesteuert wird – wann er sie zurückhalten, wann fließen lassen soll, wie er eine Aufgabe angehen soll und wie er sich selbst zu heilen hat. Die Programme, die in unserem Verstand ablaufen – wie sich unsicher, wertlos oder sich gezwungen fühlen Herkulesarbeit zu vollbringen – schicken die Energie auf bestimmte Weise durch unseren Körper und lösen damit entweder Unterdrückung oder Überlastung aus. Um das ins Gleichgewicht zu bringen braucht es Kenntnis darüber, welche Programme unser Leben bestimmen und gleichzeitig die Fähigkeit in die Tiefenstruktur des Gewebes vordringen zu können, das mit diesen Programmen kurzgeschlossen ist.

Der Körper ist der unbewusste Verstand. Angefüllt mit Nervenenden, die die sensorischen Rezeptoren sind, die unser Schaltzentrale/Gehirn verarbeitet, zeichnet der Körper alles auf, was uns zustößt und spricht dann mit uns in einer fremden zellulären Sprache. Krankheiten sind eine Form uns unbewusst mitzuteilen, was er erlebt, aber unser normales Bewusstsein ignoriert hat. Wenn diese Botschaften ins Bewusstsein dringen, kann der Körper aufhören, diese Mitteilung zu speichern. Spannungen oder Krankheiten dürfen sich dann auflösen, weil die Energie neue und gesündere Wege gefunden hat.

Es gibt viele Ansätze mit der Schaltstelle zwischen Körper und Verstand zu arbeiten und sie werden oft lose zusammengefasst als Somatische Therapie. Bioenergetik ist die Kunst, Energie durch den Körper zu leiten und den Körperpanzer aufzulösen. Ursprünglich entwickelt von Wilhelm Reich und später von Alexander Lowen, arbeitet Bioenergetik mit grundlegenden Charakterstrukturen – Verhaltensmuster und Körperhaltungen, die unauflöslich miteinander verbunden sind. Bionenergetik löst blockierte Energien, stellt den natürlichen Fluss wieder her, entkrampft dadurch das Gewebe und weitet gleichzeitig den Verstand.

Die Chakren (Energiezentren im Körper) sind ebenfalls Stellen, wo eine Interaktion zwischen Körper und Verstand stattfindet. Zusammengenommen bilden die sieben Chakren eine systematische Verbindung zwischen der fundamentalen Ausrichtung hinsichtlich des physischen Überlebens über die Ich-Zustände im Zwischenmenschlichen bis hin zum Spirituellen des transzendenten Bewusstseins – und verstehen sich als Stufen der Entwicklung. Die Arbeit mit dem Chakrensystem bedeutet die Arbeit mit den verschiedenen Ebenen, auf denen Körper und Verstand verbunden sind.

Tanzen, Bewegung, Yoga, Massage oder Kampfsport sind ebenfalls Formen Somatischer Therapie, da sie Körper und Geist gleichermaßen ansprechen. Alles kann herangezogen werden, um unsere Erfahrung zu erweitern und um uns zu helfen, „aus dem Kopf“ zu kommen und mehr in unsere Körper hinein. Alle Formen führen gleichzeitig zu einer spirituellen Erfahrung, die aber im Körper verankert ist und nicht als gedachte Abstraktion.

Die archetypische Trennung zwischen Materie und Geist, die die Spaltung von Körper und Verstand nach sich gezogen hat, ist eine der größten Tragödien unserer Zeit. Eine Wunde, die die Kulturen auf unserem Planeten weiter spaltet. Um diese Spaltung zu heilen – und Körper und Verstand wieder zu integrieren – müssen wir uns und die Welt ändern und uns hinbewegen in Richtung mehr Gesundheit und Ganzheitlichkeit.

Anodea Judith
1998